Montag, 8. Oktober 2007

Endgültig ist gar nichts

Für manche Filmvorführung scheuen wir weder Stau noch Spritkosten. 280 km Anreise und tüchtig Rückreiseverkehr nach diesem herrlichen Herbstwochenende: das muss gehen für Playtime in der restaurierten 70mm-Kopie auf einer Cinerama-Leinwand.

Zunächst mal habe ich mich gefreut, die Schauburg endlich kennenzulernen. Mehr als ein altes
s/w-Foto von der legendären Treppe kannte ich bisher nicht. Das Foyer in nachtblau und gold macht schwer was her, auch wenn es ein bisschen schade ist, in so ein Ambiente dann die gewöhnliche Theke zu stellen. Abgesehen davon ist das Haus in allen Details (bishin zu den Toiletten in blau und gold) bemerkenswert stimmig gehalten. Auch die Kassenhäuschen waren angemessen retro. Der Saal war der Rot-Overkill, da kann nach unserer Erfahrung nur das 3001 in Hamburg mithalten. Der Rang ist halt heute ein eigenes Kino, das ist ja in den meisten Kinos so, und der große Saal deutlich modernisiert, aber es ist immer noch ein Großkino von Format, alte Schule sozusagen. Ich weiß nicht, ob es an meiner Faszination lag, aber es war auch einer der ganz wenigen Kinobesuche, bei denen nie etwas gezwackt oder gedrückt oder geächzt hat. Ich bin ja jung und nicht gerade raumgreifend, aber ich treibe mich dann doch selten in Kinos rum, wo man lange gut sitzt.

Das war er also nun, der endgültige Kinobesuch.
Die Kopie war wirklich sagenhaft, die Leinwandgröße genau richtig - nicht zu groß, um die Brillanz zu beeinträchtigen, nicht zu klein, um den Spaß am Format zu verderben. Obwohl ich den Film über alles schätze, hat er in dieser Form das erste Mal keine Längen gehabt. Auf DVD (meine Güte, in 70mm hatten die Menschen auf einmal alle Gesichter!!) ist er mit über zwei Stunden schon anstrengend, weil man so genau hinsehen muss. Und von Monsieur Failliot, dem eigens angereisten Restaurator, gab's zwar wenig zu hören, und das nur auf Französisch, aber dankenswerterweise stellte die Schauburg ein sehr informatives Papier auf deutsch mit allem Wissenswerten über die Restaurationsarbeit zur Verfügung (übrigens hier auch online verfügbar!). Als ganz besonderes Highlight bekam jeder Besucher auch noch einen Streifen der 70mm-Kopie - nur einer Arbeitskopie, glücklicherweise. Der grausame Scherz, man habe den ersten Akt nach der Vorführung zerschnitten, sitzt immer noch tief. Ich hätte nichtmal Hand an die Arebitskopie legen können - nicht bei Tati. Aber netterweise hat das ja jemand für mich übernommen, und ich kann mir jetzt überlegen, wo das Kleinod in der neuen Wohnung seinen Platz finden wird... wie erwartet eigentlich kaum zu übertreffen.

Aber endgültig? Nein. Entgegen mancher Befürchtung hat die Lust aufs Kino auch nach diesem schwer übertreffbaren Erlebnis nicht nachgelassen, habe ich beim Verlassen des Saals mit Erleichterung festgestellt. Es muss ja nicht immer ganz großes Kino sein. Und jede Vorführung hängt sowieso auch vom Publikum ab. Die 70mm-Freaks (die Vorführung fand im Rahmen des 70mm-Festivals statt) zum Beispiel waren eigentlich eine Spur zu professionell für Tati - es wurde verhältnismäßig verhalten gelacht. Vielleicht, weil der Film immer noch nicht sein Publikum gefunden hat, vielleicht, weil die Spezialisten mehr aufs Korn und auf Kratzer schielten als auf die falschen Hulots, vielleicht weil viele Anwesende mehr richtung Ben Hur und Taras Bulba schwangen und Playtime nur so zwischendrin mitnahmen? Ich weiß es nicht.

Nachdem das größtmögliche Kinoerlebnis vorerst erreicht ist, muss ich mir natürlich ein neues stecken. Ich tendiere bereits stark in Richtung Grand Prix in 70mm. Der ist sicher nicht besser als Playtime, wenn auch ein großartig gedrehter Rennfahrerfilm, aber ich schätze die Kopienlage noch schlechter ein. Ich brenne darauf, das Gegenteil bewiesen zu bekommen!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

"Grand Prix" in Super Panavision 70 war im Programm des 70mm-Festivals 2006.

Zwar "nur" eine Erstaufführungskopie aus dem Jahre 1966 in gefadetem Zustand (die roten und grünen Farbstoffe verflüchtigen sich mit der Zeit und das Bild tendiert stark ins rote) aber von unglaublicher Schärfe. John Frankenheimer war Auto- und Motorsport-Fan und die unglaublichen Formel-1 Rennszenen aus Monte Carlo und Spa-Francorchamps, auf den wirklichen Rennstrecken während echter Formel 1 - Grand Prix's gedreht, sind unglaublich. Alles echt - nix Computer.

Es gibt eine neue "Grand Prix" 70mm Kopie, 2006 hergestellt. Liegt im Archiv der "Academy of Motion Picture Arts and Sciences" in Hollywood. Wir haben schon vorgefühlt, man würde die Kopie uns für eines der nächsten Festivals leihen.

Also ... "Endgültig ist gar nichts" ... und wie wäre es denn mit "West Side Story" nächstes Jahr in neuer 70mm Kopie? ... Stay tuned!!